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Klimadreh
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Im Gespräch

Architektur und Photovoltaik: «eine grosse Chance»

Der Architekt Dominique Salathé lehnt an einem Regal und stützt sich dort mit dem Ellenbogen ab. Er lächelt.
Dominique Salathé darüber, wie Architektur den Umgang mit Photovoltaik prägt. (Fotos: Niels Franke)

In der Diskussion um Photovoltaik treten sie oft nur am Rand auf: Architektinnen und Architekten. Dabei spielen sie in der Energiewende eine wichtige Rolle, sagt Dominique Salathé, Inhaber Salathé Architekten in Basel.

Herr Salathé, beginnen wir mit einer Zeitreise: Wann hat Ihr Büro die erste Photovoltaikanlage auf einem Gebäude installiert? Und was ist seither geschehen?

Das erste solche Projekt war 1998. Ein Anbau an ein kleines Mehrfamilienhaus. Das liegt also schon eine gewisse Zeit zurück. Die Entwicklung seither habe ich ein Stück weit verfolgt. Photovoltaik ist inzwischen als Thema sehr präsent, was mit der Klimadebatte zusammenhängt. Hier bietet sich die Möglichkeit, den eigenen CO2-Ausstoss unmittelbar zu reduzieren oder, falls man einspeist, gewissermassen «gegenzuverrechnen». Geändert hat sich auch die Technik. Die Effizienz der Module ist grösser geworden, aber auch deren Vielfalt und gestalterisches Potenzial. Das geht über die Dimensionen hin zur Art und Weise der Nutzung, vor allem in der Fassadenmontage. Photovoltaik ist ein Serienprodukt geworden, das man gestalterisch einsetzen kann. Das ist für mich als Architekt die wichtigste Veränderung.

Bei welchen Gebäuden, die Sie planen, ist Photovoltaik im Beratungsprozess ein Thema?

Fast überall. Einerseits bringen die Bauherrschaften das Thema auf, andererseits geschieht dies auch durch Auflagen von seiten der Gemeinden und Kantone. Wie weit gereift und wie konkret die Anforderungen sind, kommt auf die Bauherrschaft an. Nehmen wir als Beispiel die Anlage beim «Zolli», die wir in die Fassade integriert haben: Dort wollte der Basler Zoo als Bauherr explizit nach aussen sichtbar machen, dass er nachhaltig mit Energie umgeht. Ich würde aber sagen, dass dieser Fall eher die Ausnahme ist. Auf dem Dach hingegen gehört Photovoltaik heute hingegen fast schon zur Standardausstattung.

Wenn Leute mit wenig konkretem Wissen bezüglich Photovoltaik zu Ihnen kommen – kommt es dann auch vor, dass Sie diese enttäuschen müssen, weil keine Photovoltaikanlage möglich ist?

Es gibt seitens der Bauherrschaften sicher viel diffuses Wissen. Aber das ist normal, unsere Aufgabe ist es ja zu beraten. Wir tun dies übrigens auch nicht alleine, sondern mit der Unterstützung vieler Fachleute. Normalerweise kann man auf diese Weise Photovoltaikanlagen planen und umsetzen. Zum Teil ist das ja sogar Pflicht. Im Kanton Basel-Stadt ist zum Beispiel bei Neubauten eine Eigenstromerzeugung aus erneuerbaren Quellen gefordert.

Schlagen Sie denn Photovoltaik auch von sich aus vor, wenn sie nicht explizit gefordert ist? Und mit welchen Argumenten überzeugen Sie?

Ja, das machen wir. Gerade haben wir ein Wettbewerbsprojekt eingereicht, bei dem wir vorschlagen, ein bestehendes Schulgebäude mit Photovoltaikelementen einzukleiden. Wir denken, das wäre ein interessanter Beitrag, bei dem die öffentliche Hand ihre Vorbildfunktion wahrnehmen kann. Ausserdem amortisiert sich eine Photovoltaikanlage fast immer in nützlicher Frist. Wir versuchen also, Anwendungsfelder aufzuzeigen und gestalterisch früh ins Spiel zu bringen. Bei der Argumentation muss man zwischen Flachdach, Steildach und Fassade unterscheiden. Eine Dachanlage betrachte ich als technische Installation, eine Fassadenanlage als gestalterischen Beitrag. Das sind für mich grundverschiedene Arten, über Photovoltaik zu diskutieren. Man kann jedes Flachdach problemlos mit Photovoltaik ausrüsten – ab einer gewissen Fläche sollte man das sogar. Mittlerweile wurde das auch erkannt und vielerorts in gesetzlichen Grundlagen festgehalten.

Dominique Salathé

Inhaber, Salathé Architekten Basel AG

Die Effizienz der PV-Module ist grösser geworden, aber auch deren Vielfalt und gestalterisches Potenzial.

Die Integration in die Fassade bietet allerdings noch viel Neuland. Dort sind Experimente gefordert, um herauszufinden, wo PV-Fassadenelemente sinnvoll sind und wo nicht. Manchmal ist die Verschattung zu gross, und manchmal ist es architektonisch schlicht nicht die richtige Antwort, Fassaden mit technischen Elementen zu belegen. Das muss man differenziert und fallweise betrachten. Mir fehlen da momentan noch die Beispiele, die hohen gestalterischen Ansprüchen genügen. Gerade bei Sanierungen, was eigentlich erstaunlich ist. Das dürfte sich aber in nächster Zeit ändern.

Warum ist es bei den Sanierungen erstaunlich? Weil es so viel Handlungsbedarf gibt? Wo sind die Hürden?

Wir haben in der Schweiz zwar immer noch eine hohe Neubauquote. Die Zukunft liegt aber bei den Sanierungen und Umbauten, nicht bei den Neubauten. Deshalb braucht es wie gesagt gute Beispiele, wie Photovoltaik sinnvoll im Bestand eingesetzt werden kann. Die Energiewende muss mit unserem grossen bestehenden Gebäudepark funktionieren.

Wie sehen Sie allgemein die Rolle der Architektur in der Energiewende? Sind Sie nur Dienstleister, der die Wünsche der Bauherrschaft erfüllt? Oder nehmen Sie eine aktivere Rolle ein?

Dazu habe ich eine dezidierte Meinung. Es ist eine grosse Chance für uns Architektinnen und Architekten, sich einzumischen und mitzugestalten. Gerade – wie gesagt – im Umgang mit der bestehenden Substanz, und in einem kleineren Mass auch mit Neubauten. Es ist an unserem Berufsstand, einen Weg aufzuzeigen, wie man in der Energiewende sinnvoll mit Gestaltung umgeht. Ich unterrichte an einer Fachhochschule, dort ist ein ganz wesentliches Thema, jungen Studierenden zu vermitteln, wie sie technisch und gestalterisch mit den neuen Fragen umgehen können. Vor dem Hintergrund einer Klima- und möglichen Energiekrise müssen wir wieder lernen, uns frühzeitig in die Prozesse einzubringen. Es ist ganz wichtig, dass Architektinnen und Architekten diese Verantwortung wahrnehmen.

Luftaufnahme von Mehrfamilienhaus mit grüner Solarfassade
Der Zoo Basel renoviert ein Betriebsgebäude und spendiert ihm eine Fassadensolaranlage. Die grünen Panels bedecken insgesamt etwa 400 qm Fläche, zusammen mit einer weiteren Solaranlage auf dem Dach hat die Gebäudehülle eine Leistung von 100 kWp.

Was verhindert, dass dies vermehrt geschieht?

Ich glaube, zum Teil sind es die konventionellen baulichen Systeme, die gut funktionieren und für viele immer noch ökonomisch interessant sind. Schauen Sie nur, wie viel gerade gebaut wird! Zum Teil sind Architektinnen und Architekten diesen gut funktionierenden Systemen etwas ausgeliefert; die Kontrolle und der Antrieb liegt oft bei den Investorinnen und Investoren sowie Entwicklerinnen und Entwicklern. Ein weiterer Punkt, der für mich etwas ambivalent ist, sind die vielen Gebäudelabels, die teils eine hohe Komplexität aufweisen. Das ist nicht immer dienlich, um umsetzungsorientiert nachhaltig zu bauen. Das Bewusstsein für die Energiewende ist langsam in der Breite angekommen, aber es gibt noch keinen Konsens, wie man sie baulich nachhaltig umsetzt. Jede grosse Organisation, die neu baut, benötigt ein Label, um zu demonstrieren, dass sie «grün» ist. Dabei geht es vielleicht manchmal auch einfach darum, die Bedürfnisse kritisch zu hinterfragen. Weniger bauen ist immer ökologischer.

Gestalterisch ist mit Photovoltaik heute vieles möglich. Man kann die Technik komplett verschwinden lassen oder sie hervorheben. Was spricht für welchen Ansatz, respektive, welchen bevorzugen Sie?

Grundsätzlich ist das fallabhängig. Die grosse bauliche Vielfalt unserer Städte ist grundsätzlich eine Qualität. Ein Faktor beim Planen ist aber der Zeithorizont. Wenn ich aus dem Fenster in die Stadt herausblicke, sehe ich Gebäude, die seit über 100 Jahren dort stehen. Man muss sich deshalb bei einer Photovoltaikfassade fragen, was in 30 bis 40 Jahren mit ihr passiert. Die technische Ausrüstung von Gebäuden ist in 20 Jahren sicher ganz anders, und ich frage mich, ob eine zu starke Präsenz dieser technischen Installationen den öffentlichen Raum nicht auch belastet. Es gilt immer abzuwägen; ganz nach dem Motto des europäischen Bauhauses: «beautiful, sustainable and together».

Sie haben die Nachhaltigkeit erwähnt. In welchem Zusammenhang stehen Nachhaltigkeit und Photovoltaik? Was macht überhaupt ein nachhaltiges Gebäude aus?

Ein nachhaltiges Gebäude wird nicht nur über Technik und Material definiert. Momentan gibt es einen gewissen Reflex: Photovoltaik und Holz, das ist nachhaltig. Ich wünsche mir aber ein Bewusstsein, was Nachhaltigkeit auch in der Gestaltung und Nutzung bedeutet. Auch das sind wesentliche Qualitäten. Ein nachhaltiges Gebäude erlaubt Neunutzungen und Umnutzungen. Es berücksichtigt sogenannte Systemtrennungen, sodass man es auch rückbauen kann. Dann gibt es die soziale Nachhaltigkeit. Wie kann man in einem Haus suffizient leben, mit wenig Technik? Sodass eben nicht alles nur per Fernbedienung funktioniert. Kühlung funktioniert auch durch Beschattung und Begrünung. Es gibt es eine ganze Reihe von Ideen, die aber keinen Prototypen eines nachhaltigen Gebäudes ergeben. Manche Gebäude, die vor hundert Jahren gebaut worden sind, empfinde ich als durch und durch nachhaltig. Das hat wenig mit Technik zu tun, sondern mehr mit einer grundsätzlichen Konzeption der Dinge.

Es besteht aber auch kein Widerspruch zwischen Nachhaltigkeit und Photovoltaik?

Nein, sicher nicht. Die sinnvolle Nutzung und Integration erneuerbarer Energien aufzuzeigen, ist eine Aufgabe, die wir Architektinnen und Architekten haben. Und eine, die wir auch annehmen.

Man könnte ja fragen, welche Gebäude heute eigentlich nicht für Photovoltaik geeignet sind.

Es gibt Beispiele in der historischen Innerstadt, wo Photovoltaik baukulturell gar nicht funktioniert. Dort bekommt man häufig auch keine sinnvollen Erträge. Im Blockrand gilt es ebenfalls abzuschätzen, ob und wie Photovoltaik Sinn macht. Auch die für das Stadtklima wichtige Begrünung steht zum Teil in Widerspruch mit der Nutzung von Photovoltaik an Fassaden. Ich würde mich eher nach Infrastruktur als Trägerin von Photovoltaik umsehen. Sie bietet grosse Flächen, die eine hohe Energieausbeute erlauben. Aber in einer Altstadt auf kleinsten Flächen funktioniert das nur in Ausnahmefällen. Ich plädiere ganz allgemein für ein genaues Abwägen der Argumente.

Es ist also nicht jedes Objekt geeignet. Aber es gibt umgekehrt auch keinen Mangel an geeigneten Objekten?

Nein, auf keinen Fall. Es gibt genügend Felder, auf denen Architektinnen und Architekten neue Ideen mit Photovoltaik entwickeln können. Da ist in der Vergangenheit auch viel falsch gelaufen, und Fassaden wurden mit billigen Verkleidungen und Dämmungen beklebt, die nun wieder herunterkommen. Auch dort haben wir eine grosse Aufgabe vor uns, die für die nächsten Generationen unglaublich spannend ist.

Zur Person

Dominique Salathé ist diplomierter Architekt ETH BSA SIA. Er ist Mitbegründer und Inhaber des Büros Salathé Architekten in Basel. In der Vergangenheit war er Gastdozent an der ETH Lausanne, heute unterrichtet er am Institut für Architektur der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW.