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Klimadreh
Magazin

Energiegeschichten

Gartenparty fürs Heizsystem

Gruppe von fünf Menschen, die in einem Gartentisch stehen und sich unterhalten.
Gemeinsam Spass haben, gemeinsam heizen: Isabelle Born, Sophie Muringer, Renée und René Bühler und Dominik Born. (Fotos: Timo Orubolo)

In Städten wie Basel bestehen alte Wohnquartiere oft aus vielen kleinen Häuschen, und jedes hat eine eigene, zu grosse Heizung. Mit dem Nanoverbund hat IWB eine kreative Lösung entwickelt, mit der sich Häuser in Reihenhaussiedlungen oder engen Altstädten kostengünstig gemeinsam heizen lassen. 

Eigentlich funktioniert es wie eine Gartenparty mit Kaffee und Kuchen unter guten Nachbarn», erklärt Dominik Born, Innovationsmanager bei IWB, den Nanoverbund. «Jeder steuert das bei, was er am besten kann, und am Schluss haben alle Freude daran – und die Kosten sind auch minimal.» Nur geht es beim Nanoverbund nicht ums gemeinsame gemütliche Kochen, sondern ums gemeinsame kostengünstige Heizen in Reihenhäusern.

Wand an Wand und jeder alleine

Reihenhäuser sind ein Kind der industriellen Revolution. Ausgehend von Grossbritannien, bedeuteten sie Privatsphäre und beginnenden Wohlstand für die Familien von Ingenieuren, Facharbeitern und mittleren Managern im 19. Jahrhundert. In Reihenhäusern lebte man auf der Sonnenseite des Fabrikzeitalters.

Heute sind Reihenhaussiedlungen typisch für alte Industriestädte. Viele Reihenhäuschen sind kleiner und enger als moderne Wohnungen in Wohnblocks. Aber mit ihrer meist zentralen Lage und den lauschigen, aneinandergrenzenden Gärten sind sie heiss begehrt. Das Neubad ist typisch für so eine Wohngegend: brummend voll mit Leben und Pfadikindern aller Altersstufen. Und jedes der oft über 100 Jahre alten und manchmal nur fünf Meter breiten Häuser hat eine eigene Heizung.

Förderbeiträge Nanoverbund - der Wärmeverbund für die Nachbarschaft

Das Amt für Umwelt und Energie Basel-Stadt unterstützt den Nanoverbund. Alle Informationen betreffend Förderbeiträge für den Zusammenschluss bestehender Heizsysteme zu einem Nanoverbund:

 

Förderbeiträge Nanoverbund

Technisches Sammelsurium an Lösungen

«Diese Heizungen sind fast immer zu gross und könnten oft problemlos ein zweites Haus heizen. Es ist absurd, wenn nun jede Familie selbständig ihre Öl- und Gasheizung ersetzt. Denn so baut jeder wieder ein eigenes, überdimensioniertes System ein und vergibt die grosse Chance, Synergien im Verbund zu nutzen», erzählt Dominik Born. Als er zusammen mit seiner Frau die Heizung in seinem Häuschen sanierte, standen sie deshalb genau vor diesem Problem – und haben sich mit ihren Nachbarn zusammengetan. Da gab es eine Gasheizung, elektrische Boiler, eine thermische Solaranlage. Die Familie Born hat zum technischen Sammelsurium eine Sole-Wasser-Wärmepumpe mit einer Erdsonde beigesteuert. 

Dominik Born, Innovationsmanager bei IWB.
«Ideal ist natürlich, wenn man Wand an Wand wohnt – wie in Reihenhausquartieren», Dominik Born, Innovationsmanager bei IWB.

In drei Stufen zum Nanoverbund

Die Entwicklung des Nanoverbunds erfolgt in drei Stufen. Nach einer genauen technischen Evaluation schliesst man die einzelnen Teilnehmer zusammen und misst und optimiert die bestehenden Anlagen. Danach werden schrittweise die fossilen Heizungssysteme mit erneuerbaren Systemen ersetzt, gemäss dem im Zusammenschluss gemessenen Bedarf. In der dritten Phase werden überflüssige Systeme stillgelegt.

«Ideal ist natürlich, wenn man Wand an Wand wohnt – wie in Reihenhausquartieren», sagt Dominik Born. Und nur schon das Miteinanderverbinden, physisch mit einem Loch in der Wand, durch die ein Rohr geführt wird, bringt Vorteile. Das ergibt bereits Einsparungen, selbst wenn alle Systeme noch fossil laufen. Denn schon dann kann oft eine Heizung für die meiste Zeit abgestellt werden, und eine andere läuft effizienter.

Die Steuerung koordiniert und optimiert

Allerdings ist damit noch nicht gesichert, dass auch alle wirklich so warm haben, wie sie es wünschen. Dazu braucht es eine Steuerung, welche die unterschiedlichen Systeme koordiniert und optimiert. Diese patentierte Lösung liefert die Firma Yuon, die sich auf das Optimieren von Heizsystemen spezialisiert hat und mit IWB zusammenarbeitet.

Die Steuerung mit ihrem Aufbau, die den Nanoverbund in den Kellern der Familie Born und ihrer beiden Nachbarn zum Leben erweckt, wird zurzeit im Wärmelabor im Keller eines IWB-Gebäudes in Kleinhüningen getestet und weiterentwickelt. Sie sieht aus wie die Realität gewordene Version des Windows-Computerspiels «Pipe-Dream» aus den 1990ern: Verschlungene Röhren mit Pumpen und Messgeräten.

 Kontrollgerät im Keller
Das Kontrollgerät im Keller ermöglicht, dass der Wärmebezug in jedem Haus trotz Verbund individuell gesteuert werden kann.

Patentierte thermische Steuerung

Solche Steuerungen baut IWB in die Keller aller Nanoverbund-Teilnehmenden ein, um zu ermöglichen, dass die Heizung trotz Verbund individuell gesteuert werden kann. Mit unterschiedlichen Geräten von unterschiedlichen Herstellern, deren Elektronik und Software in unterschiedlichen Jahrzehnten entwickelt wurden, ist das nicht ganz einfach.

Doch Steuerungen reagieren nicht nur auf elektronische Signale. Im Fall des Nanoverbunds ist die Steuerung thermisch: Das System reagiert auf die Temperatur des Rücklaufs – jenes Wassers, das aus den Häusern zurück ins System kommt. Gemeinsam mit dem Ingenieur Stephan Février hat IWB eine patentierte Steuerung entwickelt, mit der sich die meisten bestehenden Heizungen steuern und optimieren lassen.

Nachbarn auf der Strasse im Reihenhaussiedlung im Neubad Quartier
In Städten wie Basel bestehen alte Wohnquartiere oft aus vielen kleinen Häuschen, und jedes hat eine eigene, zu grosse Heizung. Mit dem Nanoverbund hat IWB eine kreative Lösung entwickelt, mit der sich Häuser in Reihenhaussiedlungen oder engen Altstädten kostengünstig gemeinsam heizen lassen.

Tiefere Kosten als individuelle Heizungen

So verbindet der Nanoverbund alle möglichen Systeme miteinander: Gasheizungen, Solarthermie, Wärmepumpen, Pelletheizungen, Elektroboiler. Bei den drei Häusern im Neubad lässt sich sogar die überflüssige Sommerwärme der Solarthermieanlage eines Nachbarn über die neue Erdsonde im Boden speichern. Der so entstehende Saisonspeicher sorgt dafür, dass die Sole-Wasser-Wärmepumpe im Winter weniger Strom braucht. Das Gerät von IWB aus dem Keller koordiniert das alles.

IWB wartet die Steuerung und macht die Abrechnung für den Wärmebezug für jeden Haushalt. Der Dienst kostet 365 Franken pro Jahr, einen Franken pro Tag und Haus. Die Kosten eines solchen Systems sind deutlich tiefer, als wenn alle Eigentümer eine eigene neue Heizung kaufen müssten.

Den «Watt d’Or» gewonnen

Mittlerweile wächst das Interesse. Auch deshalb hat IWB dieses Jahr für den Nanoverbund den «Watt d’Or» gewonnen, den jährlichen Preis des Bundesamts für Energie. Und die Möglichkeiten werden immer vielfältiger.

So eignet sich das System auch sehr gut für grössere, nahe liegende Gebäude in älteren Wohnsiedlungen oder auch für enge Altstädte. Wenn in den Strassen der Platz für Fernwärmeleitungen fehlt, kann man die Häuser mit einem Nanoverbund direkt miteinander verbinden – mit einem einzigen gemeinsamen Fernwärmeanschluss an einem passenden Ort.

Fernwärmeanschluss ebenfalls möglich

Möglich ist auch, dass sich ein Nanoverbund später an die Fernwärme anschliesst. Das ist interessant, wenn ein Heizungsersatz dringend ist, die Fernwärmeleitungen aber noch einige Jahre auf sich warten lassen. Dann verbinden die Hauseigentümer erst mal ihre Heizungen, legen die ältesten Anlagen still und schliessen am Schluss den ganzen Nanoverbund an die Fernwärme an. Damit profitieren alle von guter Nachbarschaft – wie an einer Gartenparty mit Freunden.