zum Main Content
Klimadreh
Magazin

Energiegeschichten

Wo die Fernwärme in Basel Spuren hinterlässt

Ingela Lakatos und Philipp Frey in einem unterirdischen Energieleitungstunnel.
Das Basler Fernwärmenetz wächst. Eine Spurensuche in der Stadt, die sich verändert, und mit ihr eine zentrale Energiequelle. (Fotos: Christian Flierl)

Die Stadt verändert sich, doch etwas ist in Basel bereits da: Fernwärme-Infrastruktur. Eine kleine Reise in die Zukunft.

Bei der dritten Baustelle müssen Ingela Lakatos und Philipp Frey lachen. Ob die auch von ihnen sei, möchte ich wissen. «Nein», meint Frey. «Das ist ein öV-Projekt. Nicht jedes Loch ist Fernwärme.» Ingela Lakatos und Philipp Frey sind unterwegs durch Basel. Die Projektentwicklerin Wärme und der Leiter Akquisition Anschlusslösungen sind bei IWB an vorderster Front mit dem Fernwärmeausbau beschäftigt. Das heisst: bei den Kundinnen und Kunden. Sie kennen die Fragen und Sorgen, wozu auch die Baustellen in der Stadt gehören. Heute nehmen sie uns mit auf einen Streifzug zu den Schauplätzen des Fernwärmeausbaus. Und damit zu wichtigen Stationen auf dem Weg bis 2037 wenn der Kanton Basel-Stadt klimaneutral sein will.

Philipp Frey und Ingela Lakatos in einem Wohnquartier zu Fuss unterwegs. Im Hintergrund sind parkierte Autos zu sehen.
Philipp Frey und Ingela Lakatos unterwegs zu Kundinnen und Kunden. IWB baut ihr Fernwärmenetz aus und verdichtet in bereits erschlossenen Quartieren.

2023: Das Netz wächst

Unsere Reise beginnt dort, wo viele Passantinnen und Passanten die Fernwärme vermuten: unter der Erde. Nur ist der Leitungstunnel deutlich grösser und bedeutender als die meisten Strassenbaustellen – und er ist fertiggestellt. Das gut 350 Meter lange Bauwerk verbindet das Gundeli mit dem Gellert-Quartier und unterquert dabei in durchschnittlich 20 Metern Tiefe das Gleisfeld am Güterbahnhof. Seit 2014 besteht der Tunnel, 2022 wurden die Fernwärmeleitungen eingebaut. Stück für Stück wurden die Rohre in die Tiefe befördert und verbaut, jeder Laufmeter 130 Kilogramm schwer. Der Besuch im Leitungstunnel zeigt: Diese Infrastruktur ist auf Dauer ausgelegt. «Der Fernwärmeausbau ist ein Generationenprojekt», kommentiert Ingela Lakatos. «Das, was wir machen, hält bestimmt die nächsten 50 Jahre.» Sie versuche das in den meisten Gesprächen mit interessierten Eigentümerinnen und Eigentümern zu vermitteln: Ein Fernwärmeanschluss rüstet ein H aus für die Zukunft aus. Dafür müsse auch nicht immer die Strasse geöffnet werden, so Lakatos. «Wo immer möglich, verdichten wir das Netz durch Verbindungen zwischen Häusern.» Und doch käme man um Baustellen-Gespräche nicht herum, meint Philipp Frey. «Basel und seine Baustellen sind an jeder Fasnacht ein Thema. Dabei sei gar nicht immer der Fernwärmeausbau der Auslöser. «Die Stadt ist im Wandel. Viel Infrastruktur ist in einem Alter, in dem man sie ersetzen muss. Wo immer möglich, koordinieren wir den Fernwärmeausbau mit anderen Projekten.»

Philipp Frey und Ingela Lakatos steigen die Treppe herunter, die sie zum unterirdischen Energieleitungstunnel führt.
Viel Infrastruktur für den Fernwärmeausbau ist schon da. Der Leitungstunnel Wolf wurde 2022 um Fernwärmeleitungen ergänzt.

Wir wechseln auf die Oberfläche und fahren ins St. Johann-Quartier. Eine Kindergartenklasse überquert die Strasse, während Ingela Lakatos erklärt. Schon seit einiger Zeit sei hier die Fernwärme ausgebaut. Allerdings sind noch nicht alle Gebäude ans Fernwärmenetz angeschlossen. Also Arbeit für Lakatos und Frey, die als Erste mit künftigen Kundinnen und Kunden zu tun haben, oft auch gemeinsam. Das Interesse an Fernwärme sei in den letzten Jahren klar gestiegen, meint Philipp Frey. «Wir diskutieren aber auch mehr.» Einige Menschen hätten Vorbehalte, die er und seine Kollegin ernst nähmen. «Wir zwingen ja niemanden zum Anschluss», sagt Ingela Lakatos. Vorgeschrieben sei lediglich der Ersatz durch ein erneuerbares System. Die Vorteile der Fernwärme würden aber oft überzeugen: mehr Platz im Keller, wenn der Öltank wegfällt, keine Wärmepumpen-Ausseneinheit im Garten, bei etwas höheren Investitionen langfristig günstigere Betriebskosten und die Langlebigkeit.

Philipp Frey

IWB hat viele Projekte, die beweisen, dass wir die Dekarbonisierung vorantreiben.

2030: Neue Kraftwerke und Wärmespeicher

Ebenfalls im St. Johann befindet sich das Fernheizkraftwerk Volta. Es ist einer der Orte, an dem erkennbar ist, dass die Fernwärme Bestand und Wandel verbindet. Hier wurde einst das erste Kraftwerk in Basel gebaut, und heute befindet sich hier einer der wichtigsten Knotenpunkte im Fernwärmenetz. Doch in der grossen Halle neben dem markanten Schlot herrscht Leere. Kaum vorstellbar, dass der mehrstöckige Raum schon bald von einem Heizkessel ausgefüllt werden wird. Ein sogenannter Multi-Fuel-Brenner soll ab 2026 zunächst mit Gas betrieben werden, um die Lastspitzen im Fernwärmenetz abzudecken. Zwei Jahre später soll er dann mit Holzpellets Wärme erzeugen. Eine Anlage, die den Umstieg auf erneuerbare Energieträger quasi in sich trägt. Ausserdem plant IWB auf dem Areal einen Wärmespeicher, um nachts produzierte Energie am Tag zu nutzen.

Philipp Frey, Ingela Lakatos und Beat Spengler stehen im Gebäude mit hoher Decke, wo künftig ein Multi-Fuel-Brenner sein wird.
Im Kraftwerk Volta baut IWB einen sogenannten Multi-Fuel-Brenner. Ab 2026 produziert er
Wärme. Erst mit Gas, dann mit Holzpellets.

Neue Kraftwerke und Wärmespeicher machen das Fernwärmenetz nicht nur leistungsfähiger, sondern auch klimafreundlicher. Immer wieder begegne er dem Vorwurf, so Philipp Frey, Fernwärme sei noch nicht komplett klimafreundlich, da sie zu manchen Zeiten mit Gas erzeugt werde. «Dann verweise ich auf Projekte wie dieses hier», meint er. «Es sind existierende Orte, die die Menschen in Basel kennen. Und hier hat IWB Projekte, die zeigen, dass wir Dekarbonisierung bereits vorantreiben.» Einige würden nicht glauben, dass der Gasausstieg je passiere. Da sei es wichtig, einen Plan vorlegen zu können, den IWB schon heute umsetzt. In einigen Strassen gäbe es bereits einen klaren Zeithorizont für den Gasausstieg, und der Fernwärmeausbau sei sichtbar. Ingela Lakatos hakt ein: «Ich begleite einige Kunden über eine sehr lange Zeit. Meist sind es grössere Institutionen, mit denen wir einen Weg finde wollen, weg von Öl und Gas zu kommen.»

Ingela Lakatos

Der Fernwärmeausbau ist ein Generationenprojekt.

Wir wechseln vom St. Johann-Quartier auf die andere Rheinseite nach Kleinhüningen. Dort, nördlich der Neuhausstrasse, nähert sich ein Grossbauprojekt der Vollendung. Die ARA Basel, die komplett erneuert wird, um leistungsfähiger zu werden, soll zukünftig auch ein Produktionsstandort für die Fernwärme sein. Wo jetzt noch ein Containerdorf der Baufirmen steht, will IWB bis 2028 eine Wärmepumpe bauen. Sie nutzt die Temperatur des warmen Abwassers und wird mit 50 Megawatt Leistung eine der grössten der Schweiz sein. «In den kommenden Jahren rechnen wir mit einer grossen Zunahme an Anschlüssen », sagt Philipp Frey. Die benötigte Leistung soll aus verschiedenen Quellen kommen, neben Holz und Kehricht in Zukunft auch Strom aus Wasserkraftwerken und mit Umwelt- oder Abwärme für Grosswärmepumpen. Die Diversität seiner Energiequellen macht das Fernwärmenetz noch robuster.

Philipp Frey, Ingela Lakatos und Beat Spengler sind auf der Baustelle zu Fuss unterwegs, wo künftig die Abwasserreinigungsanlage stehen wird. Um sie herum sie Baucontainer.
Neben der ARA Basel deutet noch nichts auf das nächste Grossprojekt hin: Bis 2028 will IWB hier eine Grosswärmepumpe bauen.

2037: Klimaneutrales Basel

Wir machen einen letzten Ortswechsel und begeben uns ans Rheinufer neben Tinguely-Museum und Schwarzwaldbrücke. Auch hier ein Ort, der zeigt, was die klimaneutrale Zukunft für Basel bringt. Rund 60 Kilometer neue Fernwärmeleitungen will IWB bis 2037 gebaut haben, 70 Prozent der Basler Haushalte sollen ans Fernwärmenetz angeschlossen sein. Das Quartier Breite am gegenüberliegenden Rheinufer ist es heute noch nicht. «In den nächsten Jahren bauen wir dort eine Hauptversorgungsleitung und beginnen mit der Akquise», meint Philipp Frey. Die Arbeit gehe ihnen sicher nicht aus, ergänzt Ingela Lakatos. Denn: Damit ein Fernwärmenetz effizient und wirtschaftlich betrieben werden kann, braucht es eine bestimmte Dichte an Anschlüssen. «Das ist der Solidaritätsgedanke der Fernwärme. Je mehr sich beteiligen, desto besser funktioniert das System für alle. Wir merken, dass immer mehr Menschen so denken.»

Illustration der Karte vom Kanton Basel-Stadt. Darauf ist eingezeichnet, wie das Wärmenetz im Jahr 2037 aussehen wird.
Vision 2037: So sieht das Basler Fernwärmenetz mit seinen Hauptbestandteilen in Zukunft aus.