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Energiegeschichten
Infrastruktur: Die unterirdische Wasser-Achterbahn

Wasserleitungen erneuern, ohne Gräben aufzureissen: Die Spülbohrung zwischen St. Jakob und Dreispitz macht es möglich.
Für diese Baustelle der Wasserversorgung werden im dicht bebauten urbanen Raum von Basel keine Gräben aufgerissen. Die tonnenschweren Gussrohre schwimmen schwerelos wie ein Höhlentaucher durch ein neues, fast einen Kilometer langes geschwungenes Bohrloch.
Wasser ist selbstverständlich im Gartenbad St. Jakob. Kaum wird’s warm, geht’s hier los mit Springen, Schwimmen, Planschen, Sonnenbaden. Nur beim Beachvolleyball wird es dieses Jahr etwas enger. Der Beachvolleyball-Platz hat zwar noch immer die gewohnte Farbe, doch der Boden besteht aus gestampften Kalksteinen – eine Baustelle mit Baumaschinen, eingezäunt mit meterhohen Schallschutzwänden.
IWB erneuert hier eine ihrer wichtigsten Versorgungswasserleitungen, die Wasser von den Grundwasserwerken in den Langen Erlen und im Hardwald in Richtung Gundeli leitet. Die alte Wasserleitung aus den 1960er-Jahren ist am Ende ihrer Nutzungszeit angekommen.
Leitung überwindet 24 Meter Höhenunterschied
Doch so bauen wie damals, als man einen tiefen Graben aushob und die Rohre hineinlegte, ist bei dieser Leitung heute nicht mehr möglich. Die Rohre führen unter Strassen, Kreuzungen, Eisenbahngleisen, Tramschienen und Gebäuden hindurch.
Auch beträgt der Höhenunterschied mit der Geländestufe hinter der St. Jakobshalle und bei den Meriangärten zum Gundeli etwa 24 Meter – das entspricht der Höhe eines Kirchturms. Ein Graben müsste deshalb an einigen Stellen extrem tief sein und würde quer durch eines der mittlerweile verkehrsreichsten Gebiete der Stadt führen.

Aus 22 Varianten ausgewählt
«Wir hatten am Anfang der Planung 22 Varianten, um die alte Wasserleitung zu ersetzen», erzählt IWB-Projektleiter Enrico Gropp. «Sieben haben wir genauer angeschaut und schliesslich aus den beiden Favoriten ein Projekt ausgewählt.» Dieses benötigte vier Jahre Vorbereitung mit Ausschreibungen und Projektbeschrieb, vor allem aber intensive Kommunikation mit allen Grundeigentümern und Organisationen, die betroffen sind.
Neuer Leitungsabschnitt mit anderer Linienführung
Das ging bis hin zum Schutz der Gütergleise im Dreispitz. So durfte nur eines von zwei Gleisen mit einem Schutzvlies und einer provisorischen Asphaltschicht überdeckt werden. Da fahren zwar seit Jahrzehnten keine Güterzüge mehr. Doch das Schotterbett ist mittlerweile ein Biotop und ein wichtiger Rückzugsort für Eidechsen.
Die Lösung besteht aus einem komplett neuen Leitungsabschnitt mit einer anderen Linienführung. Die beiden Anschlüsse an die bestehende Leitung liegen gegenüber dem Fussballstadion und Einkaufszentrum St. Jakob-Park beim Gartenbad und beim Dreispitz am Leimgrubenweg.
Bogenförmige Bohrung
Statt den Boden auf der ganzen Streckenlänge der alten Leitung zwischen Dreispitz und Fussballstadion aufzugraben, werden mit einer sogenannten Spülbohrung zwei neue unterirdische Leitungsabschnitte gebaut. Die längere verläuft auf einer Strecke von 980 Metern bis zu 78 Meter tief unter dem Boden.
Die Bohrung ist nicht gerade. Sie beschreibt die Form einer hängenden Perlenkette, allerdings in einem dreidimensionalen Bogen, ähnlich einem Teilstück einer Achterbahn im Europapark. Die zweite Bohrung ist 320 Meter lang und führt unter dem Gartenbad hindurch zur alten Leitung.

das sich hier durch den Boden gräbt.
Koordination zwischen Interessensgruppen ist erforderlich
An einer der verkehrsreichsten Kreuzungen Basels beim Leimgrubenweg und bei der Münchensteinerstrasse steht nun ein riesiges Bohrgerät und wühlt sich schräg in den Boden. Rundherum brummt das Leben – Verkehr, Garagen, Fitnesscenter, Einkaufscenter. Und nicht nur für die Eidechsen auf den Bahngleisen gibt’s da Einschränkungen, sondern auch für Autofahrerinnen und Fussgänger. Zwei Fahrstreifen und das Trottoir müssen für die Bauarbeiten gesperrt werden.
Projektleiter Enrico Gropp hat dabei zwischen Dutzenden Firmen, Parteien und Organisationen sowie Interessengruppen koordiniert, Rissprotokolle aufgenommen und Messsonden installiert, um allfällige Schäden an Gebäuden und Bahntrassen zu dokumentieren oder –noch besser – zu vermeiden.
Bohrkopf aus teurem Hartmetall
Der rund 30 Zentimeter im Durchmesser messende Bohrkopf ist mit Dutzenden fingerkuppengrossen Wolframstücken besetzt – ein Werkzeug wie ein teures Schmuckstück, das sich hier durch den Boden gräbt.
Das teure Hartmetall ist nötig, damit das Werkzeug möglichst lange scharf bleibt. Denn wenn es abstumpft, muss es Hunderte von Metern durchs ganze Bohrloch zurückgezogen und das Bohrgestänge in stundenlanger mühsamer Arbeit demontiert werden. Erst dann lässt sich der Bohrkopf auswechseln.

GPS-gesteuerte Spülbohrung
Angetrieben und in Drehung versetzt wird der Bohrkopf von einer Pumpe, die Wasser und Bentonit, ein lehmartiges Material, durch das Bohrgestänge drückt. Das Verfahren spült den Ausbruch aus dem Bohrloch und kleidet es gleichzeitig mit dem Bentonit aus. In die richtige Richtung dirigiert wird der Bohrkopf unter der Erde mit einem beweglichen Element an der vordersten Bohrstange.
«Das ist, wie wenn man einen Löffel in eine Schale mit Zucker steckt», erklärt Bohrmeister Ueli Schenk von der gleichnamigen Firma für Spezialbohrungen. «Je nach Winkel beschreibt der Löffel im Zucker eine engere oder weitere Kurve. Den Winkel in der vordersten Bohrstange können wir variieren.» Und dank einer GPS-Sonde im Bohrgestänge weiss der Bohrmeister jederzeit auf den Zentimeter genau, wo unter der Erde sich der Bohrer gerade befindet.

Das ist, wie wenn man einen Löffel in eine Schale mit Zucker steckt.
In sieben Etappen von 30 Zentimetern bis 1,3 Meter Durchmessser
Doch mit dem ersten Loch ist die Arbeit nicht zu Ende. Denn die erste Bohrung misst nur rund 30 Zentimeter im Durchmesser. «Nun brauchen wir immer grössere Werkzeuge», erzählt Enrico Gropp und zeigt auf einen wuchtigen Bohrkopf auf der Baustelle. In sieben Etappen wird die Bohrung nun auf 1,3 Meter Durchmesser aufgeweitet.
Das gleiche Prozedere geschieht mit der kürzeren Bohrung unter dem Gartenbad St. Jakob. Hier macht die neue Leitung unter dem Beachvolleyball-Feld einen 90-Grad-Knick in Richtung Fussballstadion. Mit demselben System wie vom Dreispitz her wird hier unter dem ganzen Gartenbad hindurchgebohrt – allerdings auf einer viel kürzeren Strecke.

Nun brauchen wir immer grössere Werkzeuge
160 Rohrstücke à 1,8 Tonnen
Nach den Bohrarbeiten wird in das fast einen Kilometer lange geschwungene Loch eine Rohrleitung eingezogen. Insgesamt sind es 160 Rohrstücke. Jedes ist sechs Meter lang, hat einen Durchmesser von 80 Zentimetern und wiegt 1,8 Tonnen. An den Verbindungen ist ein Winkel von maximal einem Grad möglich. Das ist nötig, um dem Schwung der Bohrung zu folgen.
Die grosse Einfädelübung ist ein separates technisches Kunststück. Erst wird der 1,3 Meter im Durchmesser messende Tunnel mit Wasser gefüllt. Dann schieben die Leitungsbauer die leere, abgedichtete Leitung vom unteren Ende her beim Gartenbad St. Jakob Rohr für Rohr in Richtung Dreispitz.
290 Tonnen schweben lassen
Damit die so im Wasser schwimmende Leitung als leichter Hohlkörper nicht an der Tunneldecke entlangschrammt, wird sie innen mit einem grossen, wassergefüllten Kunststoffschlauch beschwert – ballastiert, wie es im Fachjargon der Leitungsbauer heisst. So schwimmt dann das 290 Tonnen schwere Gussrohr schwerelos wie ein Höhlentaucher durch den engen Tunnel.
«Das ist, wie wenn man ein U-Boot genau austariert, damit es knapp unter der Wasseroberfläche schwimmt und nur das Periskop rausschaut», erklärt Ueli Schenk – oder auch wie die vielen entspannten Besucher und Besucherinnen im Gartenbad St. Jakob, die sich auf dem Rücken liegend im Wasser treiben lassen.

Ein enger Sommer
Jene entspannten, im Wasser schwebenden Badegäste sollten von der Arbeit an der in gleicher Weise schwebenden Wasserleitung möglichst wenig merken. «Es wird halt alles etwas enger», sagt Anita Da Ruos, Leiterin des Gartenbads St. Jakob. Dass das Beachvolleyball-Feld nicht am gewohnten Ort liegt, sei zu verschmerzen, zumindest für eine Saison.
Zudem wurden unter einer dicken Vliesschicht die Feldumrandungen erhalten, sodass es im Sommer 2026, wenn die Arbeiten fertig sind, gleich wieder losgehen kann. Die Baustelle auf dem Beachvolleyball-Feld war von allen geprüften Standorten das kleinste Übel. Auf den benachbarten Sport- und Fussballplätzen wären sehr viel mehr Menschen von den Bauarbeiten betroffen gewesen.
Es wird halt alles etwas enger
Vier Meter hohe Schallschutzwände
Auch auf der Nordseite nahe dem Eingang wird es etwas enger. Das Gebiet wurde laut Florian Mathys, Leiter Planung, Bau und Unterhalt beim Sportamt der Stadt Basel, öfter als Liegewiese genutzt.
Mathys ist der Vertreter der Nutzer aller Sportanlagen und muss möglichst alle Ansprüche unter einen Hut bringen. Aber auch er betont, dass sich das für eine Saison verkraften lasse – auch dank den vier Meter hohen Sicht- und Schallschutzzäunen, auf denen das IWB-Projekt in Text und Grafiken erklärt wird.
Für eine Saison lässt sich die Baustelle verkraften
IWB stellt Wasserversorgung rund um die Uhr sicher
Mit dem Beginn der Badesaison im Mai war im Bad von der Baustelle wenig zu spüren. Lediglich das Wummern der Rammarbeiten war hörbar. Damit wurde das sogenannte Casing, ein grosses Stahlrohr, das den Ausgang des Bohrlochs umschliesst, rund 15 Meter schräg bis auf den Felsen getrieben.
Doch diese Arbeiten finden nur während einer kurzen Phase statt. Wer die Bauarbeiten dagegen sehen will, muss auf den Rutschbahn- oder den Sprungturm klettern. Mittlerweile ist der Bohrer vom Dreispitz her im St. Jakob angekommen. Von der erhöhten Position aus bekommt man live mit, wie viel Aufwand IWB betreibt, um die Wasserversorgung in Basel rund um die Uhr sicherzustellen – damit Wasser auch in Zukunft verlässlich aus dem Hahn kommt.
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