Was erwartet die Wasseraufbereitung in der Region Basel in Zukunft? Ein Besuch in Muttenz zeigt Zusammenhänge. Und Zusammenarbeit.
Geht es um Trinkwasser, hilft manchmal ein Blick auf die Karte. So lässt sich besser verstehen, warum manche Ausgangslage schwieriger ist als andere. Diese Karte an der Wand im Besprechungsraum zeigt einen Wald, der umgeben ist von Orten, die das mit dem Wasser eher kompliziert machen: auf der einen Seite der Rheinhafen, auf der anderen der Güterbahnhof, hier Industrie, dort die Stadtgrenze mit Birsfelden. Trotzdem wird genau hier Trinkwasser gewonnen, in grossen Mengen und in erwiesenermassen hoher Qualität. Das hat mit dem Wald zu tun, aber auch mit dem Gebäude, in dem wir sitzen, der Trinkwasseraufbereitungsanlage von Muttenz.
Drei Anlagen mit Gemeinsamkeiten
Wir sind nicht alleine in der Anlage. Neben Joachim Hausammann, dem für die Trinkwasserversorgung zuständigen Muttenzer Gemeinderat und damit auch Hausherrn, sind Andrea Engler und Thomas Meier anwesend. Meier ist Leiter Produktion Wasser bei IWB und zugleich Geschäftsführer der Hardwasser AG, die für den Kanton Basel-Stadt sowie einige Baselbieter Gemeinden Trinkwasser aus dem Hardwald gewinnt, wo auch die Muttenzer Anlage steht. Engler ist Projektingenieurin bei IWB und hat alle drei Anlagen – Muttenz, Hardwasser AG und IWB – miteinander verglichen. So viel vorweg: Alle drei produzieren einwandfreies Trinkwasser.
Trinkwasser ist ein wichtiges Lebensmittel, ohne das wir Menschen nicht existieren können. Es kommt wie selbstverständlich aus dem Wasserhahn. Oder doch aus der Natur? Beides stimmt, aber dazwischen stehen viele Schritte, die das Wasser durchläuft. Die Muttenzer und Basler Trinkwassersysteme haben vieles gemein. Zunächst der Ursprung: der Rhein. Umliegende Quellen und das natürliche Grundwasser können den Grossraum Basel nicht ausreichend mit Trinkwasser versorgen, weshalb Rheinwasser abgepumpt wird. Es gelangt zunächst durch Vorfiltrationsstufen und Waldböden, danach setzen moderne Aufbereitungsanlagen ein – so wie die, in der wir uns befinden.
Wasser fasziniert den Politiker und die Geologin
Joachim Hausammann startet den Rundgang. «Vermutlich kennen wenige Gemeindepolitiker ihre Trinkwasseranlagen so genau», sagt er verschmitzt, während wir durch hohe Betonräume laufen. «Ich hatte Glück, dass der Beginn meiner Amtszeit mit dem Baustart zusammenfiel. So konnte ich alle Anlagenteile ganz genau kennenlernen und verstehen, was sie tun.» Seit 2017 arbeitet die Anlage in Muttenz. Sie gilt als eine der modernsten Trinkwasseraufbereitungsanlagen, die noch kleinste Teile herausfiltert. Ihnen hat auch Andrea Engler nachgespürt.
Wir erreichen den ersten Raum, wo die sogenannte Oxydation geschieht. Dicke Rohre winden sich wie Schlangen, gespickt von kleinen Schläuchen. Ozon und Wasserstoffperoxyd, sie helfen, erste Verbindungen aufzubrechen. Die Mischung sei wichtig, erklärt Andrea Engler. «Würde man nur Ozon beimischen, könnten unerwünschte Stoffe entstehen, die man nachher nur sehr schwer aus dem Wasser bekommt.» Ihr Wissen über Wasser hat die Geologin ihrem Start ins Berufsleben zu verdanken. «Dass Grundwasser spannend ist, habe ich schon in meinem ersten Job bei einem Geologiebüro gemerkt. Das Praktikum bei IWB war dann die Gelegenheit, richtig einzutauchen, auch in die Trinkwasseraufbereitung.»
Nachkommastellen gesucht
Gemeinsam mit der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW in Muttenz hat Engler Wasseranalysedaten der drei Anlagen erhoben und ausgewertet. Ihr besonderes Augenmerk galt den Spurenstoffen. Dabei handelt es sich um Stoffe, die in Konzentrationen von einem Nanogramm oder sogar Pikogramm pro Liter im Wasser vorkommen. Also die neunte bis zwölfte Stelle nach dem Komma. Von einem Gramm. In einem Liter. Fast nicht da, aber eben doch: Spurenstoffe gelangen aus der Industrie und der Landwirtschaft in Oberflächengewässer und ins Grundwasser, aber auch aus den Haushalten. Man denke an Medizin, Waschmittel und Kosmetik, die über das Abwasser ihren Weg ins Grundwasser finden. Nicht zu verwechseln sind sie mit Spurenelementen wie Kalzium oder Magnesium, die bei der Trinkwasseraufbereitung erhalten bleiben.
Durch grell erleuchtete Gänge erreichen wir die zweite Aufbereitungsstufe, die sogenannte Adsorption. In einem Becken wird das Wasser mit Pulveraktivkohle gemischt. Zutritt ist hier verboten, immerhin handelt es sich bei dem, was da im Becken kreist, um ein entstehendes Lebensmittel. Die Kohle habe eine riesige Oberfläche, erklärt Andrea Engler. Schadstoffe besetzten diese freien Flächen nach und nach, weshalb der Prozess Zeit brauche. Joachim Hausammann ergänzt: «Nach der Verwendung bei uns ist die Pulveraktivkohle erst zu einem geringen Teil verbraucht.» Sie könne danach zum Beispiel noch in der Abwasseraufbereitung verwendet werden.
Zusammenarbeit heisst Verbesserung
Die Aufbereitung mit Pulveraktivkohle ist ein Schritt, in dem sich die Anlage in Muttenz von den anderen beiden unterscheidet. Deshalb stand sie auch im Fokus der Untersuchung von Andrea Engler. Und tatsächlich: Sie filtert gewisse Stoffe noch besser heraus als die bewährten Aktivkohlefilter von IWB und der Hardwasser AG. IWB erstellt deshalb eine Pilotanlage. Joachim Hausammann erklärt: «Beim Trinkwasser profitieren wir alle von Zusammenarbeit.Wir lernen voneinander und schauen, wie wir unsere Prozesse noch weiter verbessern.» Und das, ergänzt Thomas Meier, obwohl das Trinkwasser in Basel die vorgeschriebenen Standards schon heute erfülle. Eine weitergehende Aufbereitung biete aber mehr Sicherheit bei Schwankungen im Rohwasser.
Wir erreichen den letzten Raum, wo die Ultrafiltration stattfindet, der letzte Aufbereitungsschritt. Scheinbar endlos stehen raumhohe Zylinder aufgereiht. Darin befinden sich die Filter, welche die Pulveraktivkohle wieder aus dem Wasser entfernen. Hierzu werde sie abwechselnd in einem Teil der Filter hin- und im anderen zurückgespült. Wasser, das ab hier die Anlage verlässt, gilt als Trinkwasser. Eine Glasfront am Ende des Raums gibt den Blick nach draussen frei. Dort ist der Hardwald, dahinter die Stadt. Natur und Mensch – Herkunft und Nutzung des Trinkwassers. Wir beschliessen, hinauszugehen.
Ein Wasserberg für alle
Von aussen wirkt die Anlage wie ein dunkler Monolith im grauen Januarwald. Wir laufen über den kiesigen Boden und hören bald ein leises Plätschern. Es ist das Wasser, das aus dem Rhein zur Versickerung in den Wald gelangt, bevor es wieder nach oben gepumpt und in die Trinkwasseraufbereitungsanlage geführt wird. Der Waldboden ist ein natürlicher Filter, der Keime und andere vergleichsweise grossen Stoffe aus dem Wasser entfernt. Das gleiche Verfahren wendet IWB in den Langen Erlen an, sagt Thomas Meier. «Auch deshalb arbeiten wir zusammen. Wir haben die gleiche Ausgangslage und damit auch die gleichen Herausforderungen.» Eine Lösung für die Herausforderung im Hardwald nennt sich Grundwasserberg und hängt mit der Situation auf der Karte vom Anfang zusammen. «Wir pumpen mehr Wasser in den Wald, als wir entnehmen», erklärt Thomas Meier. «So stellen wir sicher, dass aus den umliegenden Gebieten kein Grundwasser in den Hardwald gelangt.» Der Grundwasserpegel unter uns ist leicht höher als derjenige um den Wald; das hineingepumpte Wasser drückt nach aussen. Die verschiedenen Grundwasserpegel werden permanent überwacht, so wie auch die Wasserqualität des Rheins.
Der Rhein. Er entwässert grosse Teile der Alpennordseite und trägt damit viele Zivilisationseinflüsse mit sich. Eine schlechte Ausgangslage für Basel? Nicht unbedingt, meint Andrea Engler. «Auch in Bergtälern kann das Grundwasser belastet sein, je nachdem wie die Böden bewirtschaftet werden.» Trinkwasser müsse zudem aufbereitet werden, damit die gesetzlichen Anforderungen jederzeit eingehalten werden können. Je nach Ausgangslage mit unterschiedlichen Methoden und mit mehr oder weniger Aufwand. «Hier in der Region Basel sind die Einflüsse unterschiedlich», kommentiert Thomas Meier. «Die Qualität des Rohwassers für die Trinkwasseraufbereitung hängt vom Rheinwasser ab. Das verändert sich je nach Jahreszeit, Regen, Wasserstand und Einleitungen aus Abwasserreinigungsanlagen.»
An gestern und an morgen denken
Wer über eine verminderte Trinkwasserqualität redet, müsse die Relationen vor Augen haben, meint Thomas Meier. «Über Typhus und Cholera spricht bei uns niemand mehr. Und das auch, weil die hygienischen Standards der Trinkwasseraufbereitung heute so hoch sind.» Dennoch sei es richtig, vorsichtig zu sein, auch wenn viele Spurenstoffe nach heutigen Erkenntnissen unbedenklich sind. «Anders als Bakterien, die sehr schnell Durchfall auslösen, kann man Stoffe, deren Wirkung noch nicht erforscht ist, unter Umständen jahrelang aufnehmen, ohne etwas zu merken.»
Über 2000 Spurenstoffe hat Andrea Engler im Wasser gesucht. «Wir wissen von vielen Stoffen nicht, ob und wie sie langfristig auf den Menschen oder andere Lebewesen wirken. » Das dürfe man durchaus als Argument dafür verstehen, die Umwelt so wenig wie möglich zu belasten. «Aber auch dafür, das Trinkwasser und das Wasser generell sauber zu halten.» So wie die Anlagen in Muttenz und in Basel, die altbekannte wie potenzielle Schadstoffe vom Trinkwasser fernhalten. Während wir sprechen, hat es zu schneien begonnen. Eine Schneeflocke schwebt auf den Waldboden, wo sie langsam schmilzt. Auch sie ein Tropfen Wasser, der sich in den Kreislauf begibt.
Erfahren Sie mehr dazu
Das könnte Sie auch interessieren