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Klimadreh
Magazin

Im Gespräch

E-Mobilität und die Post: «Wir sind gut unterwegs.»


Viele Schweizer Unternehmen elektrifizieren ihre Fahrzeugflotte. Doch bei keinem ist die Aufgabe so gross wie bei der Schweizerischen Post. Moritz Wälde über die Herausforderung, Gelb grüner zu machen.

Herr Wälde, beginnen wir mit einer Bestandesaufnahme: Die Schweizerische Post hat rund 25 000 Fahrzeuge. Wie viele davon fahren schon elektrisch?

Unsere 6000 Dreiräder für die Briefzustellung sind komplett elektrisch. Bei den vierrädrigen Fahrzeugen sind es knapp 1000, hauptsächlich die Zustellfahrzeuge. Bei den Bussen – den Postautos – werden es bis Ende 2024 rund 100 sein. Bei den Lastwagen sind es etwa 20, allerdings inklusive Subunternehmer.

Bis 2030 soll die Post klimaneutral sein. Wie gross ist der Anteil der Fahrzeugflotte an der Klimabelastung des Konzerns?

Betrachten wir die direkt beeinflussbaren Emissionen – also nicht die graue Energie –, dann machen die Fahrzeuge etwa 90 Prozent aus. Dieser Anteil ist bei allen Transportunternehmen ähnlich, zumindest bei solchen, die auf der Strasse unterwegs sind. Was uns einzigartig macht, ist die Grösse. Es gibt kein anderes Schweizer Unternehmen, das so viele Strassenkilometer macht, weshalb wir hierzulande ein grosser CO2-Emittent sind. Speziell ist auch, dass wir ein riesiges Spektrum an Einsatzgebieten haben: von der Stadt bis in die Bergregionen. Andere sind da stärker spezialisiert, so wie die BVB in Basel, die mit ihren Elektrobussen eine Vorreiterrolle einnehmen. Gerade bei den Bussen haben wir andere Streckenprofile: länger, ländlicher, bergiger.

Wie weit ist denn die Post auf ihrem Weg, die Fahrzeugflotte zu elektrifizieren?

Wir haben noch einiges vor uns. Allerdings haben wir in den letzten Jahren massiv beschleunigt, sodass wir inzwischen sagen können: Das Ziel wird realistisch. Seit letztem Jahr haben Zürich und Bern als erste Städte nur noch elektrische Zustellfahrzeuge; Basel und Genf kommen als nächste. Gleichzeitig sind wir im ganzen Land daran, die insgesamt 4500 vierrädrigen Zustellfahrzeuge umzustellen. Bei den Bussen sieht unser Ziel etwas anders aus: Wir peilen 800 Fahrzeuge oder 30 Prozent des Bestands bis 2030 an. Dort sind wir nämlich auch auf die Kantone als Besteller angewiesen.

Moritz Wälde

Moritz Wälde

Co-Leiter Kompetenzzentrum E-Mobilität der Schweizerischen Post

Zustellung in der Stadt ist brutales Stop-and-go. Da haben Elektrofahrzeuge klare Vorteile.

Welcher Teil der Fahrzeugflotte ist besonders schwer zu elektrifizieren und warum?

Tendenziell kann man sagen: Je grösser das Fahrzeug und je länger die tägliche Strecke, desto anspruchsvoller ist die Elektrifizierung. Bei der städtischen Zustellung sind wir deshalb schon am weitesten. Die Post ist aber auch als internationale Spedition tätig; da gibt es Lastwagen, die im Extremfall die Strecke Hamburg – Valencia fahren. Das ist die einzige Kategorie, wo Elektromobilität heute noch nicht so einfach umsetzbar ist. Alles andere ist irgendwo zwischen diesen beiden Extremen. Bei den kleineren Lastwagen wird in den nächsten Jahren einiges passieren; und so schreitet die Elektrifizierung in jedem Bereich voran.

Die Fahrzeuge sind das eine. Welche Ladeinfrastruktur benötigen Sie?

Das ist ein ganz zentrales Thema für uns, denn es geht um Investitionen von vielen Millionen Franken. Wir gehen davon aus, dass wir letztlich um die 10000 Ladepunkte brauchen. Ein Teil davon ist sogenanntes Depotladen, etwa ein Bus, der über Nacht lädt. Aber es gibt auch Gelegenheitslader, zum Beispiel an Endhaltestellen. In der Zustellung wird in den Distributionsbasen geladen, typischerweise auch über Nacht. Ein Lastwagen wird einen Mix aus Depot- und Gelegenheitsladern nutzen. Insgesamt wird die Infrastruktur beeindruckend sein. Dazu eine Zahl: Wenn sämtliche Fahrzeuge elektrifiziert sind, wird das Leistungsmaximum über alle Ladepunkte etwa 500 Megawatt betragen. Das entspricht einem eigenen Kraftwerk.

Wie beschaffen Sie diesen Strom? Privat geht die Elektromobilität oft Hand in Hand mit der Photovoltaik, da der selbst produzierte Strom der günstigste ist. Oder geben Ihnen Langfristverträge mehr Sicherheit?

Unser Strombedarf wird sich durch die Elektrifizierung der Fahrzeugflotte verfünffachen. Auf etwa 500 Gigawattstunden pro Jahr. Deswegen wird die Strombeschaffung für uns zum strategischen Thema. Wir wollen die Photovoltaik maximal ausbauen. Unser Ziel ist, dass zehn Prozent des benötigten Stroms aus eigenen Anlagen kommen. Das ist aber das physikalische Limit, denn wir besitzen nur beschränkte Flächen auf Parkplätzen, Fassaden und Dächern.

Womit wir beim Thema Kosten wären. Wie schlagen sich Elektrofahrzeuge punkto Rentabilität bisher?

Das hängt extrem vom Fahrzeugtyp ab. Ein kleiner, stark ausgelasteter Lieferwagen ist heute schon günstiger als Verbrenner, wenn man die «Total Cost of Ownership» – also die Vollkosten – betrachtet. Die grossen Lieferwagen sind noch etwas teurer, vor allem aufgrund der Fahrzeugkosten. Lastwagen sind zum Teil schon günstiger, was aber an der LSVA-Befreiung liegt. Allgemein sind Elektrolastwagen aber noch teurer als Diesellastwagen. Bei den Bussen ist es auch so. Wir sehen aber, dass die Preise überall sinken. Wir sind bei allen Kategorien optimistisch, dass es in den nächsten Jahren zur Preisparität kommt. Bei manchen Kategorien wird es schon in diesem Jahr so weit sein, bei anderen im nächsten. Wir gehen auf jeden Fall davon aus, dass vor 2030 bei all unseren Kategorien Elektrofahrzeuge am günstigsten sein werden.

Ein gewisser Nachteil bei Elektrofahrzeugen ist das Batteriegewicht, das auch die Nutzlast beeinflusst. Braucht die Post mehr Fahrzeuge, um die gleiche Menge an Fracht zu bewegen?

Das ist keine Option. Beim Kostendruck in der Logistik können wir nicht mehr Fahrzeuge kaufen. Es gibt zwei Ansätze für die Gewichtsproblematik: Entweder unterstützt uns der Gesetzgeber mit höheren Lastgrenzen, wie es bei Lastwagen schon der Fall ist. Es gibt aber auch Kategorien, wo das Gewicht keine grosse Rolle spielt. Dann bleiben ein paar Anwendungen, wo eine Elektrifizierung aufgrund des Gewichts heute noch nicht machbar ist. Dort hoffen wir auf die technologische Entwicklung. Der zweite Ansatz wäre, eine kleinere Batterie einzubauen und das Ladekonzept anzupassen. Wir überlegen bei jeder Fahrzeugbestellung, wie gross die Batterie sein muss. Mit überschüssiger Kapazität fahren wir nicht durch die Gegend. Das Thema «Reichweitenangst» kennen wir nicht.

Das heisst, Ihre Fahrzeuge sind am Ende einer Tour leer?

Idealerweise sollten sie das sein, ja. Bei der Zustellung haben wir aber noch die sogenannten Heimparkiererinnen und -parkierer. Sie nehmen ihr Fahrzeug mit nach Hause und fahren am Morgen direkt damit los. Die laden das Fahrzeug nur jede zweite Nacht oder mit Schnellladern am Morgen.

Das wäre ja das Musterbeispiel für alle Menschen, die nicht selbst laden können. Sozusagen das Laden «am Arbeitsplatz».

Ja, sicher. Generell ist das Thema Reichweite bei Elektrofahrzeugen einfach anders als bei Verbrennern. Praktisch lässt sich das Ladeproblem auf jeden Fall lösen, zum Beispiel durch Schnellladestationen. Das Paradigma «Wer elektrisch fährt, braucht zu Hause eine Ladestation» gilt nicht so absolut. Unsere Zustellfahrzeuge haben auch nur maximal 200 Kilometer Reichweite, oft weniger.

Wie sind denn die praktischen Erfahrungen bisher?

Die Zustellung hängt heute teils schon voll vom Elektroantrieb ab. Bis letztes Jahr hatten wir in Bern nur 10 Elektrolieferwagen und 40 mit Dieselmotor im Einsatz, jetzt sind es 50 elektrische. Die Erfahrungen sind gut. Zustellung in der Stadt ist ein brutaler Stop-and-go-Betrieb. Eine Tour hat zum Teil 200 Stops. Da haben Elektrofahrzeuge klare Vorteile; das bestätigen auch die Chauffeusen und Chauffeure. Bei den grossen Fahrzeugen ist das zum Teil noch anders, da haben die Leute manchmal noch nicht das Vertrauen in die Technologie. Bei den Postautos im Berggebiet hat sie vor zwei, drei Jahren auch noch nicht wirklich funktioniert. Da sind Batterien überhitzt und so weiter. Die Technologie hat sich aber sehr schnell weiterentwickelt. Wir haben heute E-Busse, die fahren viele Höhenmeter am Tag. Und wenn eine Chauffeuse oder ein Chauffeur diese Erfahrung erst einmal gemacht hat, dann findet sie oder er es cool.

Also kann man schon bald die Touristenlinie Grimsel-Furka-Susten mit dem E-Bus machen?

Das ist eine ganz extreme Linie mit mehreren tausend Höhenmetern. Aber wir fahren sie momentan testweise elektrisch, einfach noch nicht im Regelbetrieb.

Moritz Wälde

Moritz Wälde

Co-Leiter Kompetenzzentrum E-Mobilität der Schweizerischen Post

Die grossen Versandunternehmen geben ihre Klimaversprechen an uns weiter.

Sie sagen, im Stop-and-go-Betrieb sei das Elektroauto im Vorteil. Warum?

Hauptsächlich, weil es vom Stand weg volles Drehmoment hat. Und es gibt keine Schaltung. Oft beschleunigt man in der Zustellung nur auf 10 oder 20 km/h und bleibt wieder stehen. Da verhält sich ein Elektrofahrzeug einfach angenehmer. Man kann es auch einfach abstellen, und es ist sofort wieder fahrbereit. Ausserdem braucht die Abgasreinigung beim Verbrenner eine gewisse Temperatur. Ein Zustellfahrzeug wird aber oft gar nicht richtig heiss, da es immer wieder abgestellt wird. Deshalb haben unsere Verbrenner einen eher hohen Verschleiss.

Elektroautos sind bei tiefen Geschwindigkeiten auch leiser als Verbrenner. Verbessert das die Akzeptanz der Zustellung in den Städten – Stichwort «Päckliflut»?

Ja, weniger Lärm ist ein Vorteil, aber auch, dass es keine lokalen Emissionen gibt. Das ist auch ein Grund, warum unsere Kundinnen und Kunden, also die grossen Versandunternehmen, so stark auf Elektroantriebe setzen. Ihre Versprechen zu klimafreundlicher und emissionsarmer Lieferung geben sie eins zu eins an uns weiter. Es ist enorm wichtig, dass ein leises, sauberes Auto das Päckchen vom Onlineshopping bringt.

Die Akzeptanz bei den Fahrerinnen und Fahrern haben Sie angesprochen. Wie stellen Sie die sicher?

Fahrzeuge sind die DNA der Post. Bei einem grossen Teil unserer 50 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist das Fahrzeug das wichtigste Werkzeug. Die Bandbreite ist gross: Wir haben Fans, die schon seit Jahren die E-Mobilität pushen. Andere sagen: Ich habe seit 30 Jahren Diesel im Blut und gehe in fünf Jahren in Pension, ich will nichts Neues mehr. Wenns nicht stinkt, machts keinen Spass (lacht). Und dann kommen natürlich die Argumente: Das funktioniert nicht, ist nicht ausgereift. Es ist enorm wichtig, diese Leute mitzunehmen. Elektrifizierung ist ein Transformationsprozess. Wir sind deshalb auch viel draussen, fahren mit den Leuten mit, versuchen, ihren Alltag zu verstehen, und fragen nach, wo sie Probleme mit dem Elektroantrieb sehen.

Immer wieder werden klimafreundliche Treibstoffe oder Brennstoffzellenantriebe als Alternative zur Elektromobilität genannt. Gibt es bei der Post einen Platz dafür?

Wir haben uns sehr intensiv damit auseinandergesetzt und viele Pilotprojekte gemacht. In Brugg haben wir mit fünf Wasserstoffbussen über fünf Jahre mehr als eine Million Kilometer zurückgelegt. Wir haben Lastwagen mit Biodiesel getestet. Momentan liegt unser Fokus klar auf Batteriefahrzeugen. So schnell, wie die Batterien günstiger werden, bin ich sehr skeptisch, dass andere Technologien das in absehbarer Zeit toppen. Denn letztendlich geht es nur um Kosten. Wir sind komplett technologieneutral,E-Autos sind keine Religion. Aber Stand heute ist der batterie-elektrische Antrieb für viele Anwendungsfälle die günstigste emissionsarme Technologie. E-Fuels sind heute noch ein reines Zukunftsthema. Die werden «im Keller der ETH im Litermassstab» hergestellt, aber eben nicht industriell. Wir sehen schon eine Zukunft dafür: im Luftverkehr, der weniger preissensitiv ist, oder dort, wo es keine Alternative gibt wie in der Schifffahrt. Auf der Strasse gibt es wenige Ausnahmen, wie der Lastwagen, der nonstop zwischen Hamburg und Valencia pendelt. Solche Sachen, vielleicht. Der Rest fährt mit Batterie.

Stichwort Batterie: Mit bald zigtausend E-Fahrzeugen verfügt die Post über eine sehr grosse Menge an Batterien. Werden Sie diese auch anderweitig nutzen?

Wir sind momentan dabei, eine Energiestrategie zu erarbeiten. Einen Teil davon – die Energiebeschaffung – habe ich schon erwähnt. Und der zweite Teil ist das Energiemanagement. Wir wollen diese Flexibilität, die uns Batterien geben, in Zukunft nutzen. Das müssen wir auch. Ich habe vorhin gesagt, es gehe um 500 Gigawattstunden Jahresverbrauch. Das ist ein virtuelles Kraftwerk. Und wir werden dieses virtuelle Kraftwerk am Strommarkt einsetzen, um Kosten zu senken, das ist eine klare Strategie. Auch zum Thema «Second Life», also der Zweitnutzung von Batterien haben wir Pilotprojekte gemacht. Wir werden sicher an Standorten stationäre Speicher brauchen, weil die Leistung des Netzanschlusses nicht überall reicht. Das sind idealerweise Second-Life-Batterien aus unseren Fahrzeugen. Das ist aber jetzt noch etwas früh, weil es diese Batterien noch nicht gibt. Wir haben noch keine Elektrofahrzeuge ausser Betrieb genommen.

Was ist denn die Lebensdauer eines Fahrzeugs bei der Post?

In der Zustellung waren es für ein Dieselfahrzeug fünf Jahre. Beim Elektrofahrzeug rechnen wir mit sechs Jahren, vielleicht auch mehr. Das Limitierende ist nicht der Antrieb, sondern die Mechanik. Nach sieben Jahren fallen bei einem Paketfahrzeug buchstäblich die Türen ab oder die Handbremse bricht. Die Belastung im Alltag ist sehr hoch. Bei den Bussen sind es zwölf Jahre.

Das heisst, so lange halten auch die Batterien?

Die Lebensdauer der Batterien in Elektrofahrzeugen hat sich tatsächlich stark verbessert. Bei den Zustellfahrzeugen reicht sie sicher für ein «Postleben», bei den Bussen kann es sein, dass wir innert eines Lebenszyklus die Batterie tauschen müssen. Das wissen wir heute noch nicht, haben es in der Nachhaltigkeitsanalyse aber berücksichtigt.

Das klingt alles nach einer grossen Erfolgsgeschichte. Gab es bei der Elektrifizierung der Postflotte nie Rückschläge?

Natürlich gab es die. Wir haben punktuell Ladeinfrastruktur falsch geplant mit zu wenig oder zu viel Ladeleistung, Schnelllader gebaut, wo es nur einen normalen gebraucht hätte. Wir hatten Fahrzeuge, die im Betrieb nicht überzeugten, die wir anders einsetzen oder zurückgeben mussten. Solche Startprobleme hatten wir und haben wir weiterhin. Aber das ist die normale Reibung, wenn man etwas Neues macht. Die grösste Herausforderung ist, die Ladeinfrastruktur an alle Standorte zu bringen. Da gibt es da und dort kleine Rückschläge, aber prinzipiell sind wir gut unterwegs.