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Klimadreh
Magazin

Energiegeschichten

Was es heisst, einen E-Bus zu fahren

Bus fährt ran, Menschen warten.
2027 ist das Jahr, ab dem alle Linienbusse der BVB elektrisch unterwegs sein sollen. (Fotos: Christian Aeberhard)

Die E-Busse fahren durch Basel. Weil sie so alltäglich sind, übersieht man fast, welchen Unterschied sie in der Stadt machen. Auf der Linie 50 sieht man ihn. Auch dabei: Schnellader und zwei Expats auf der Such nach ihren Velos.

Für manche endet die Fahrt im 50er schon nach wenigen Metern. Kaum ist der Bus am Bahnhof angerollt, ruft ein Mann nervös, man solle ihn sofort rauslassen. Ohne eine Miene zu verziehen, bringt Christina Ceccone den Doppelgelenkbus zum Stehen und drückt den Türöffner. Man hört den Mann noch fluchen, Wortfetzen wie «Handy verloren» brüllen, dann schliessen sich die Türen wieder und der Bus rollt langsam an. In drei Sprachen begrüsst eine elektronische Stimme die Fahrgäste – willkommen, welcome und bienvenue. In diesem Moment gleitet der Bus schon über den Birsig, im Rücken die Morgensonne.

Knöpfe auf dem Armaturenbrett im E-Bus der BVB.
Per Knopfdruck fährt der Stromabnehmer hoch.

Sanft am Gaspedal

Wir sind unterwegs in der Buslinie 50, die den Bahnhof Basel SBB mit dem EuroAirport verbindet. Es ist eine der ersten Linien auf dem Netz der Basler Verkehrs-Betriebe BVB, die komplett mit Elektrobussen befahren wird. Es ist Morgen, im Bus ist es noch nicht sehr voll. Christina Ceccone verlangsamt vor einem Rotlicht. «Manchmal erhalte ich Lob von den Fahrgästen, wenn ich besonders sanft gefahren bin», erklärt die Chauffeuse. Mit einem Elektrobus könne man sehr sachte fahren, aber auch sehr schnell beschleunigen. «Man sollte schon mit dem Gaspedal umgehen können», meint sie. Dann liegt auch ein ungeplanter Stopp gleich nach dem Anfahren drin, wenn ein Fahrgast sein Handy vermisst.

Christina Ceccone

Chauffeuse bei Basler Verkehrs-Betriebe BVB

Eine Tour ohne Zwischenladen geht problemlos.

Christina Ceccone fährt erst seit 2021 Linienbusse. Sie ist Quereinsteigerin, arbeitete während über 30 Jahren als Malerin und Vorarbeiterin, bis ihr Rücken ihr zu verstehen gab, dass es Zeit für etwas anderes sei. Grosse Fahrzeuge sind ihr nicht fremd. Seit 20 Jahren ist sie bei der freiwilligen Feuerwehr und steuert die Einsatzfahrzeuge. «Ich mag die grossen Kisten», sagt sie und lacht. Auf ihren neuen Beruf war sie also vorbereitet. Auch wusste sie von Beginn weg, was ihre neue Arbeitgeberin plant: Bis 2027 sollen sämtliche Busse der BVB elektrisch unterwegs sein. «Ich lasse das gerne auf mich zukommen. Spass beim Fahren habe ich sowieso», meint sie. Der 25 Meter lange Doppelgelenkbus, den sie fährt, ist erst seit Anfang Jahr im Einsatz. Ab Mitte des Jahres sind elektrische Gelenkbusse dazugekommen. Eine zweite Welle neuer E-Fahrzeuge gibt es dann im Jahr 2027.

Christina Ceccone am Steuer im E-Bus der BVB.
Christina Ceccone muss sich voll konzentrieren, um den Doppelgelenkbus sicher durch die Stadt zu lenken.

Verlorene Fahrräder und schmelzende Gletscher

Auf dem Weg zum Flughafen blitzt die Morgensonne durch die Fenster. Eine indische Familie versucht im vorderen Bereich, die Haltestellen von der Anzeige zu lesen, und ist dabei sichtlich vergnügt. Brau-se-bad. Amwa-sen-boden. Ganz hinten im Fahrzeug stehen Jackie Tyler und Dustin Hoyte. Eigentlich wollten sie heute morgen nicht zum Flughafen. Nicht noch einmal. Doch ihre Fahrräder waren gestern in London hängen geblieben, wo die beiden auf dem Weg aus den USA einen Zwischenstopp hatten. Vor ihnen liegt ein dreimonatiger Businesstrip für ein Pharmaunternehmen. Zwei Personen also, die neu in Basel sind. Ob sie wissen, dass dieser Bus hier elektrisch fährt? Nein, meint er. «Aber mir ist schon bei der Hinfahrt aufgefallen, wie leise er ist.» «Vor allem ist er moderner als die Busse bei uns zu Hause in San Francisco», ergänzt sie.

Touristen mit Koffern vor der Tür eines E-Busses.
Stufenlos unterwegs: Je sanfter der E-Bus fährt, desto geringer der Stromverbrauch.

Wir erfahren, dass auch die Busse in der nordkalifornischen Stadt elektrisch fahren, allerdings mit Oberleitung. Solche Trolleybusse hatte Basel früher ebenso, es war sogar die erste Stadt der Schweiz mit Niederflurfahrzeugen. Die letzte Trolleybuslinie wurde 2008 stillgelegt, nun kommt der elektrische Antrieb zurück. Gegenüber Bussen mit Oberleitung haben solche mit Batterie den Vorteil, dass die Fahrzeuge flexibler einsetzbar sind, auch Umleitungen oder andere Strecken sind kein Problem. Punkto Umweltbelastung sind elektrische Busse – egal, über welche Quelle sie den Strom beziehen – heute ohnehin weit an der Spitze.

Dustin Hoyte

Fahrgast aus den USA

Mir ist schon auf der Hinfahrt aufgefallen, wie leise der Bus ist.

Das Gespräch mit den beiden amerikanischen Fahrgästen verläuft angeregt, auch dank des leisen Busses – dort, wo wir stehen, wäre sonst der Motor. Sie erzählen über ihr bevorstehendes dreimonatiges Praktikum bei einem Chemiekonzern, über ihre geplante Hochtour in den Alpen, auf den sich die zwei Naturliebhaber freuen. Und so kommen wir auf die Gletscherschmelze zu sprechen, die sich in den Alpen wie auch in Nordamerika rasant beschleunigt. Dass die Menschheit gar nicht schnell genug auf alternative Antriebe umsteigen könne oder eben auf das Fahrrad, das die beiden hier in Basel noch vermissen. Und wie wir so schwatzen, erscheint das Flughafengebäude im Seitenfenster. Kurz darauf hält der Bus, wir verabschieden uns, und alle steigen aus.

Ein Mann und eine Frau mit Rucksäcken und einem Koffer stehen im Bus.
Jackie Tyler (rechts) und Dustin Hoyte aus den USA sind erst seit einem Tag in Basel. Mit dem E-Bus der Linie 50 fahren sie bereits zum zweiten Mal.

Energiehaushalt am Steuer

Der leere Bus fährt noch eine Station weiter, bis ihn Christina Ceccone punktgenau zum Stillstand bringt. Denn vor der Haltestelle «Verwaltung», gleich hinter dem Flughafengebäude, befindet sich der sogenannte Gelegenheitslader, wo die Batterie in einigen Minuten so weit wie möglich geladen wird. Manchmal, wenn der Bus Verspätung hat, reicht die Zeit aber auch nicht. «Eine Tour ohne Zwischenladen geht problemlos», erklärt Christina Ceccone, die prüft, ob der Stromabnehmer korrekt hochfährt. «Wenn es ein zweites Mal nicht reicht, müssten wir die Zentrale informieren. Diese entscheidet dann über das weitere Vorgehen, zum Beispiel, ob ich am EuroAirport vollladen und eine Runde aussetzen soll.» Vorgekommen sei das allerdings noch nie. Spätestens im Depot werden die Busse dann vollgeladen. Die BVB bauen bald eine neue Garage, IWB liefert dort wie auch hier am Zwischenhalt die Ladeinfrastruktur.

Wie viel Energie ihr Bus braucht, habe sie ein Stück weit selbst in der Hand, erklärt Christina Ceccone. «Ich kann mehr oder weniger stark beschleunigen. Und durch das Rekuperieren fülle ich beim Bremsen die Batterie immer wieder ein Stück. Vor allem im Stossverkehr kann das einen grossen Unterschied machen.» Sie steigt wieder in den Bus, dessen Ladeanzeige bei 99 Prozent steht. Angst vor einem leeren Akku habe sie im Betrieb nicht. «Der tiefste Stand, den ich je hatte, war auf einem Stromnibus», sagt sie und meint damit den ersten E-Bus der BVB, der 2019 im Testbetrieb unterwegs war. «Den habe ich im Winter gefahren. Irgendwann war die Batterie nur noch auf 20 Prozent. Das habe ich der Leitstelle gemeldet und musste dann zur Garage zurückfahren, wo ich mit 6 Prozent ankam.» Das sei aber nicht mit heute vergleichbar. «Jetzt haben wir auf der Strecke mehrere Gelegenheitslader. Damals wurde nur im Depot geladen.»

E-Bus lädt über den Panthograph.
Am Gelegenheitslader lädt der Bus so viel, wie während eines Halts geht.

Ein Koffer stört die Morgenruhe

Der Bus fährt an und direkt zurück zum Flughafengebäude. Die Türen öffnen sich, Reisende wuchten ihre Koffer ins Fahrzeug, andere stehen draussen ratlos vor dem Ticketautomaten. Viele verschlafene Augenpaare blicken umher. Wer um diese Zeit am Flughafen einsteigt, ist früh gelandet und noch viel früher losgeflogen – wenn nicht sogar in einer ganz anderen Zeitzone. Die Türen schliessen sich, und es erklingt wieder die Computerstimme. Willkommen in Basel. Welcome to Basel. Bienvenue à Bâle. Der Bus gleitet die Rampe von der Flughafenvorfahrt hinab und durch Saint-Louis Richtung Grenze.

Inzwischen steht die Sonne schon höher. Die Familie mit den zwei Kindern, die noch ihre aufblasbaren Reisekissen um den Hals tragen, kann weiter dösen. Im Stehbereich unterhält sich eine Gruppe junger Leute angeregt auf Englisch; im Viererabteil hockt ein Pärchen, das müde ein paar Worte auf Französisch wechselt. Man hört, wie sie mit der Papiertüte aus dem Duty-free-Shop knistert und er auf seinem Kaffeebecher trommelt. Man hört all das, weil man sonst nichts hört in diesem Bus. Kurz wird die Stille durchbrochen, als ein Rollkoffer sich aus der Gepäckablage löst und durch den Mittelgang rumpelt. Entschuldigend stellt ihn sein Besitzer zurück, und das ruhige Gleiten durch den Morgen geht weiter.

Ein älteres Paar sitzt im Vierabteil im Bus. Gegenüber sitzt eine Frau.
Die Schweiz ist viel unterwegs. Die einen müssen fahren, die anderen tun es in der Freizeit.

Auf 25 Metern Länge passiert viel

Inzwischen fahren wir wieder durch die Stadt. Gleich erreichen wir den Bahnhof Basel SBB. Für Christina Ceccone ist es das Ende ihrer Tour, die bereits um 6 Uhr 21 begonnen hat. Doch sie sieht das genauso gelassen, wie sie auch ihren grossen Bus steuert – auch wenn das nicht immer einfach ist. «Körperlich ist mein neuer Job zwar weniger anspruchsvoll, aber im Kopf muss man fit sein.» In der Stadt sei wenig Platz, der Strassenraum eigentlich voll. «Ich muss schon höllisch aufpassen, dass ich kein Velo im toten Winkel habe.» Zwar gebe es Abstandsensoren, aber auf 25 Metern Länge könne eben immer etwas passieren.

Doppelgelenkbus der BVB fährt durch die Stadt.
Flugzeug, Schiene – Bus! Die Linie 50 zwischen EuroAirport und Bahnhof SBB ist die erste in Basel, auf der ein elektrischer Doppelgelenkbus fährt.

Eine Lieblingslinie habe sie eigentlich nicht, sagt Christina Ceccone zum Abschluss. Denn fahren muss sie alle können. Obwohl, den 36er habe sie schon gern, meint sie nach einer kurzen Pause. «Kleinhüningen – Schifflände – da ist immer etwas los. Im 50er ist man vor allem die Tourismusauskunft. Genauso im 30er, der vom Badischen Bahnhof zum Bahnhof SBB fährt.» Aber letztendlich bereicherten die Menschen ihren Tag. «Wenn beim Aussteigen jemand Danke sagt, schätzen wir das», sagt sie noch, dann geht sie in die Pause. Hinter ihr gleitet der Bus davon.