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Klimadreh
Magazin

Energiegeschichten

Die E-Mobilität fährt in die Basler Kehrichtabfuhr ein

Ein Mann läuft neben einem elektrischen Kehrichtlastwagen, um einen Kehrichtsack aufzuladen.
Harter Job, etwas leichter gemacht: E-Lastwagen bedeuten für die Kehrichtabfuhr weniger Lärm und sanfteres Fahren. (Foto: Christian Aeberhard)

Die Kehrichtabfuhr in Basel elektrifiziert ihre Fahrzeuge. Das bedeutet nicht nur weniger Emissionen. Sondern macht einen harten Job etwas weniger hart.

Die Trittbretter sind noch hochgeklappt. Vorschrift, haben wir vor der Abfahrt erfahren. Sobald eine Person hinten steht, sei nur Tempo 30 möglich. Ein Sensor kontrolliert das, alle Kehrichtfahrzeuge haben einen. Dieses eine Modell gibt es jedoch noch nicht überall: eines mit Elektromotor und zwei Batterien. Vor zwei Jahren sind die Leute von der Stadtreinigung des Kantons Basel-Stadt die E-Kehrichtlastwagen erstmals Probe gefahren. Ob die Fahrzeuge überall durchpassen, ob der Akku hält. Doch wir sollten selbst sehen.

Von 2 auf 12 E-Autos in zwei Jahren

Ein paar Stunden unterwegs mit der Kehrichtabfuhr des Kantons Basel-Stadt – das ist auch eine Exkursion in die Mobilitätswende. Denn die Stadtreinigung will ihre Fahrzeugflotte bis 2025 zu 90 Prozent elektrifiziert haben. Vor zwei Jahren hat sie den ersten E-Kehrichtlastwagen angeschafft, inzwischen sind es zwölf. Einer davon hält nun am Strassenrand. Die Lader steigen aus und wechseln nach hinten auf die Trittbretter. In der Fahrerkabine lächelt Osmon Llolluni und bittet auf den Beifahrersitz.

Ein elektrischer Kehrichtlastwagen fährt eine Quartierstrasse hinauf. Ein Belader trägt einen Kehrichtsack.
Sanfte Riesen im Quartier. Die E-Lastwagen passen noch nicht durch jede schmale Gasse. Neue Modelle sollen das ändern. (Foto: Christian Aeberhard)

Herausforderung: Auf alle aufpassen

«Was wollen Sie wissen?» Ob das für ihn das erste Elektroauto gewesen sei, zum Beispiel. Und vor allem, wie es sich fahre. Ja, das erste, antwortet der Chauffeur. Und es fahre sich wunderbar. «Ich will nichts anderes mehr. Habe mir sogar schon überlegt, privat auch ein Elektroauto zuzulegen.» Der elektrische Lastwagen fahre viel sanfter, meint Osmon Llolluni. Denn er müsse auf seine Kollegen hinten aufpassen. Zu scharf bremsen oder beschleunigen könne für sie unangenehm bis gefährlich sein. «Mir ist das noch nie passiert, aber es kann schon vorkommen, dass einer den Kopf anschlägt.» Wie zum Beweis kontrolliert er beide Spiegel. Zusätzlich zeigt ein Bildschirm die Sicht direkt auf die Rückseite. Hinten lauert ein Auto, eine Velofahrerin nutzt die Chance und huscht vorbei. Llolluni ahnt die Frage, obwohl er in die andere Richtung schaut. «Du musst sehr gut aufpassen im Lastwagen. Vor allem in der Innenstadt. Irgendwer will immer vorbei.»

Osmon Llolluni

Chauffeur Stadtreinigung des Kantons Basel-Stadt

Ich will nichts anderes mehr als einen elektrischen Lastwagen. Habe mir sogar schon überlegt, privat auch ein Elektroauto zuzulegen.

Mehr Ruhe im Quartier

Das Beste am Elektroantrieb sei die Ruhe, meint Osmon Llolluni. «Wenn du sechs Stunden lang immer nur den Dieselmotor hörst, bist du mit den Nerven am Ende.» Langsam arbeitet sich die Truppe das Bruderholz hoch, am Wegrand blühen Magnolien. «Warten Sie, ich drehe das Radio leiser», sagt Llolluni. Plötzlich zwitschern die Vögel, man hört die zwei Belader miteinander reden. «Mit den alten Lastwagen musste ich manchmal aussteigen, um ihnen etwas zu sagen.» Dann ein Maschinengeräusch – die Presse, so Llolluni. Auch das sei anders, die alten Fahrzeuge hätten nur im Stillstand pressen können. Langsam ziehen die Gartenzäune und die Bürgerhäuser vorbei. Wir schleichen durchs Quartier. Einer der Belader überholt den Lastwagen. Schnappt sich ein paar Säcke und wirft sie hinten rein. «Als Chauffeur versuche ich, die Kollegen möglichst wenig laufen zu lassen.» Denn deren Job ist fordernd: Pro Tour kommen bis zu neun Tonnen Abfall zusammen. Das meiste von Hand aufgeladen.

Anders fahren im E-Lastwagen – und weniger bremsen

Inzwischen fahren wir wieder runter Richtung Stadt. «Schauen Sie, ich muss nicht bremsen.» Llolluni zeigt auf seinen linken Fuss. Der Lastwagen hat ein eigenes Pedal für das Rekuperieren, also das Wiederaufladen der Batterie beim Bremsen. «Das war am Anfang ungewöhnlich. Jetzt finde ich es super. Und es schont den Akku, am Schluss habe ich oft noch 50 Prozent.» Unten angekommen, müssen wir aussteigen. Das Fahrzeug muss zum Entladen in die Kehrichtverwertungsanlage, wo es das Team gleich noch wäscht. Im Bauch des Kehrichtfahrzeuges kann sich eine Mischung aus Bakterien und Gasen sammeln, die teils schon Tage vorher in den Kehrichtsäcken entstanden ist. Die neuen Fahrzeuge hätten eine spezielle Abluftanlage und Gummibarrieren, die möglichst viel der ungesunden Luft von den Entladern fernhalten. Abgase sind beim Elektrofahrzeug sowieso passé.

Eine Einstellhalle für Lastwagen. Links und im Hintergrund sind Ladestationen zu sehen. Rechts fährt ein Kehrichtfahrzeug rückwärts hinein.
Die Ladeinfrastruktur ist bei Lastwagen nicht anders als bei normalen E-Autos. Die Fahrzeuge der Kehrichtabfuhr müssen am Morgen geladen sein. (Foto: Christian Aeberhard)

Alle E-Autos am Morgen geladen

Auf dem Werkhof warten Carmen Jeker und Matteo Di Tommaso neben einem Pick-up. Auch dieses Nutzfahrzeug ist elektrisch, was man ihm auf den ersten Blick nicht ansieht. «Das Prinzip ist für alle unsere elektrischen Fahrzeuge dasselbe: Am Morgen müssen sie vollständig geladen sein», erklärt Di Tommaso. Er ist beim Tiefbauamt des Kantons Basel-Stadt, dem die Stadtreinigung untersteht, für die Ladeinfrastruktur zuständig. «Wie die Fahrzeuge in der Nacht genau geladen werden, regelt das Lademanagement der IWB.» Sie hat die Ladeinfrastruktur erstellt und ist für deren Betrieb verantwortlich. Die Herausforderung: an einem Ort mehrere Lastwagen mit Batteriekapazitäten von 340 Kilowattstunden laden – der monatliche Stromverbrauch eines Dreipersonenhaushalts.

Die Garage wird digitaler

Während wir eine Werkstatt betreten, übernimmt Carmen Jeker. Sie ist Leiterin Betrieb des Tiefbauamts und für die Beschaffung der Fahrzeuge zuständig. «Die Elektrifizierung bringt auch Herausforderungen. Wir müssen unser Personal weiterbilden.» An der Wand neben den Hebebühnen fallen zwei Ladestationen auf. «Wir haben überall den gleichen Typ, für Lastwagen wie für die Nutzfahrzeuge, draussen und in der Werkstatt. Es kann sein, dass wir für eine Reparatur die Batterie leeren müssen und anschliessend direkt wieder aufladen.» Das Team des Tiefbauamts müsse Wartungen selber durchführen können, dafür habe man einiges an Wissen hereingeholt. «Jahrelange Erfahrung mit E-Lastwagen hat noch fast niemand. Und das klassische Herumtüfteln funktioniert bei diesen Fahrzeugen nicht. Dafür sind sie zu komplex, zu digital.»

Matteo Di Tommaso

Verantwortlicher Lademanagement, Tiefbauamt des Kantons Basel-Stadt

Das Prinzip ist für alle unsere elektrischen Fahrzeuge dasselbe: Am Morgen müssen sie vollständig geladen sein.

Warten auf den Markt

Wieder draussen auf dem Hof kehren Osmon Llolluni und die Kollegen zurück. Die Entlader öffnen das Holztor, dann zirkelt Osmon Llolluni langsam rückwärts in die Garage. Die neuen Fahrzeuge sind einen halben Meter breiter als die alten. Darauf angesprochen, meint Carmen Jeker: «Das ist tatsächlich ein Problem. Bei mehreren Touren in Basel brauchen wir schmalere Fahrzeuge, man denke nur an das Rheinbord im Sommer.» Allerdings hätten dieses Problem alle modernen Fahrzeuge, auch solche mit Dieselmotor. Sie erwarte aber, dass der Markt bald auf die Nachfrage reagiere. Auch beim Angebot an Nutzfahrzeugen. «Der Boom bei den Personenwagen ist noch nicht übergeschwappt. Und wir wollen Fahrzeuge, die wir nicht als Erste einsetzen.» So wie den E-Lastwagen der Schweizer Firma Futuricum, den andere Gemeinden auch bereits nutzen.

Die Batterie hält länger als andere Teile am Lastwagen

Während Osmon Llolluni das Ladekabel abrollt, weist Matteo Di Tommaso quer über den Hof. Am Gebäude gegenüber verlaufen mehrere Kabelstränge. «Alles, was orange ist, dient der Ladeinfrastruktur.» Aus der Nähe betrachtet wird deutlich: Die Hälfte aller Stränge ist orange. Im Gebäude ist eine weitere Werkstatt, ein E-Lastwagen steht auf der Hebebühne. Garantiearbeiten am Containeraufbau, erklärt Carmen Jeker im Vorbeigehen. «Der Aufbau wird stark beansprucht, nach etwa acht Jahren tauschen wir ihn aus.» Das Fahrzeug selbst solle doppelt so lange halten, und mit ihm die Batterie. «Deshalb ist es gut, wenn die Fahrzeuge momentan nur halb leer zurückkommen. Wir wollen diese Reserve.»

Carmen Jeker

Leiterin Betrieb, Tiefbauamt des Kantons Basel-Stadt

Die E-Mobilität war immer da. Jetzt hat sie einen neuen Schub. Wir haben sogar einen Lastwagenhersteller aus der Schweiz.

Alte Welt, neue Welt

Im oberen Stock erreichen wir den Ort, auf den die Kabelstränge zulaufen: zwei graue Schränke, die unauffällig in der Ecke stehen. Das Herzstück der Ladeinfrastruktur, so Di Tommaso. «Das eine sind alle Sicherungen für die Ladestationen, das andere die Internetanbindung.» Der Raum riecht nach Öl und Benzin. Auf Ablagen liegen Getriebeteile und Motoren, Anschauungsmaterial für die Lernenden. Da die alte, handfeste Antriebswelt, und daneben, mysteriös im grauen Kleid die neue.

E-Lastwagen langfristig günstiger

Wieder draussen, erklärt Carmen Jeker, dass die Stadtreinigung immer wieder Elektrofahrzeuge im Einsatz hatte, das erste sogar bereits 1920. «Die E-Mobilität war immer da. Jetzt hat sie einen neuen Schub. Wir haben sogar einen Lastwagenhersteller aus der Schweiz, der sich mit unseren Bedürfnissen auseinandersetzt.» Eine Frage bleibt: Lohnt sich der Umstieg? Di Tommaso antwortet: «Wir haben es durchgerechnet. Die elektrischen Lastwagen sind teurer in der Anschaffung, aber günstiger im Betrieb. Langfristig hält es sich die Waage.» Ein Lieferwagen surrt vorbei, ein Kollege wünscht Jeker und Di Tommaso einen schönen Feierabend, dann rollt auch sein Fahrzeug lautlos davon. Ruhe kehrt ein. Gegenüber stehen drei Lastwagen an ihren Ladesäulen. Sanfte Riesen in der Nachmittagssonne.

Wussten Sie, dass…

...der ganze Hauskehricht in Basel-Stadt, Basel-Landschaft und weiteren Regionen in der Kehrichtverwertungsanlage (KVA) Basel landet? Pro Jahr müssen hier rund 235 000 Tonnen Abfall verbrannt werden. Die dabei entstehende Abwärme wird in das Fernwärmenetz eingespeist, erspart also den Einsatz von Tausenden dezentralen Heizanlagen in den Basler Gebäuden. So wird die Kehrichtabfuhr zur doppelt sauberen Sache.