
Text: Paul Drzimalla; Fotos: Timo Orubolo
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Frau Märki, für die Energiewende in der Schweiz müssen die erneuerbaren Energien massiv ausgebaut werden. Wo stehen wir?
Nun, gemäss der letzten BFE-Statistik stammt rund ein Viertel des Gesamtenergieverbrauchs der Schweiz aus erneuerbaren Energien. Beim Strom entfällt dabei der grösste Anteil auf die Wasserkraft. Wind, Sonne und Biomasse machen zusammen nur etwa sechs Prozent aus. Die gute Nachricht ist: Es gibt einen Trend nach oben. Die schlechte: Es ist zu wenig und geht zu langsam. Zwar wird in erneuerbare Energieanlagen investiert – nur leider kaum hierzulande.
Woran fehlt es denn in der Schweiz? Am Geld, am Wissen, am politischen Willen?
Das Geld ist es sicher nicht. Die Schweiz ist eines der reichsten Länder der Welt. Wenn wir es nicht schaffen, wer dann? Die Pandemie hat gezeigt, dass wir in kurzer Zeit viel Geld mobilisieren können. Ohne diese Ausgaben zu bewerten: Damit hätten wir die Energiewende längst finanziert. Das Wissen kann es bei unseren renommierten Hochschulen auch nicht sein. Bleibt der Wille. Es gibt zwar einen Konsens, dass es die Energiewende braucht. Aber «wollen» ist eben nicht «machen». Ich vergleiche das mit dem Sofa, auf dem man sitzt und Serien schaut. Man weiss, dass man auch mal raus und sich bewegen sollte. Aber schaut die nächste Serie – in der eigenen Komfortzone. Ähnlich ist es mit dem Energiesystem: Es hat bisher sehr gut für uns funktioniert. Sich von ihm zu lösen, braucht Zeit. Nur läuft die gegen uns.
Aber es bewegt sich doch etwas. Private statten ihre Gebäude mit Solaranlagen aus, Energieversorger wie IWB realisieren Grossprojekte wie «AlpinSolar». Wovon brauchen wir mehr?
Es ist kein «Entweder-oder», sondern ein «Und». Wir brauchen mehr dezentrale Energieerzeugung und Eigeninitiative, aber auch die grossen Kraftwerksbetreiber. Die allerdings brauchen die richtigen Rahmenbedingungen.
Wo liegt das Problem?
In der Schweiz wird weiterhin über die politischen Rahmenbedingungen des Strommarkts geredet, was Unsicherheit bei Investoren schafft. Niemand will Millionen in Kraftwerke investieren, wenn er die Spielregeln nicht kennt. Das gilt übrigens auch für Private. Nicht alle sind Idealisten. Die wollen wissen, mit welcher Rendite sie rechnen können, wenn sie selbst investieren. Dazu kommt, dass die Systeme ungleich behandelt werden. Kernenergie und fossile Energien haben noch immer keine Kostenwahrheit, obwohl sie schon lange ins System integriert sind. Von den Erneuerbaren fordert man das aber quasi ab Tag eins. Wir haben deshalb letztes Jahr – auch mit IWB – die Allianz der Schweizer Energiewirtschaft gegründet, die ein wirksames Finanzierungsmodell für erneuerbare Energien fordert.